"Keiner in meinem Umfeld - außer den Künstlern - hatte den Mut mir zu sagen:
'Herr Reckhaus, Ihre Produkte sind einfach nur schlecht'."
Hans-Dietrich Reckhaus leitet in zweiter Generation ein mittelständisches Familienunternehmen, das seit mehr als 60 Jahren Insektenbekämpfungsmittel herstellt. Die Konfrontation mit den Künstlern Frank und Patrik Riklin war für ihn Auslöser, sein Geschäftsmodell vollständig in Frage zu stellen. Es folgte die Kunstaktion „Fliegen retten in Deppendorf“ mit großer medialer Resonanz und die Neuausrichtung seines Unternehmens.
2018 wurde Reckhaus in die Liste der TOP 100-Unternehmen aufgenommen, unter anderem ausgezeichnet mit dem European Responsible Care Award (2018) und dem Industriepreis 2017. Darüber hinaus ist Reckhaus 2020 mit seiner Innovation Finalist beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis und erhielt mit Insect Respect die Auszeichnung als Projekt der UN-Dekade für biologische Vielfalt.
Wie viel Wert hat eine Fliege? Als Hans-Dietrich Reckhaus sich diese Frage vor 8 Jahren zum ersten Mal stellen musste, wurde sein Weltbild erschüttert. Mit seinem Insektizid-Unternehmen stellte er Ameisenköder, Ungezieferspray, Mottenpapier und Fliegenfänger her. Doch über den Wert von Insekten, hatte er sich nie Gedanken gemacht.
Zwischen Kunst, Wirtschaft und Natur
Gemeinsam mit den Konzeptkünstlern Frank und Patrik Riklin realisierte Reckhaus eine Aktion, die zum Symbol seines Sinneswandels werden sollte – „Fliegen retten in Deppendorf“. Eine Kunstaktion, die ein ganzes Dorf mobilisierte und die Fliege Erika mit dem weltweit ersten Flugticket für ein Insekt in ein 5- Sterne-Wellness-Hotel führte. Über die Fliegenrettung berichteten Medien in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz – aber das sollte nur der Anfang sein.
Von der Tötung zur Rettung
Es begann eine Transformation, die bis heute anhält: von einem Unternehmen, das Insekten bekämpft, zu einem Unternehmen, das Insekten rettet. Jeder Insektentod sollte hinterfragt werden, ebenso wie jede weitere Belastung der Natur. Aber ein solch radikaler Wandel wird nicht nur positiv wahrgenommen. Für manche der Kunden sind diese Ideen zu absurd, verdreht und widersinnig. Wie kann sich ein Insektenbekämpfer das Insektenretten auf die Fahne schreiben?
Es geht um Respekt
Aber Reckhaus hielt an seiner Überzeugung fest. Seine Lösung: INSECT RESPECT, das Gütesiegel für die Reduzierung, Ökologisierung und Kompensation der Insektenbekämpfung. Denn nur ein respektvoller Umgang mit Insektenleben kann zu echter nachhaltiger Veränderung führen. Mit dem Siegel geht die Verpflichtung einher, für die Anzahl der Insekten, die mit einem Produkt bekämpft werden, Ausgleichsflächen mit idealen Lebensbedingungen zu schaffen.
„Fliegen lassen“ ist ein Buch, das zeigt, wie ein einzelnes Unternehmen eine ganze Branche revolutionieren kann. Der Autor teilt wertvolle Erfahrungen und durchdachte Ratschläge, die motivieren und ermutigen. Eine beispielhafte Transformation und eine Inspiration für nachhaltiges Wirtschaften und unternehmerische Verantwortung.
"Ich kämpfe für ein neues gesellschaftliches Bewusstsein im Umgang mit Insekten."
"Vor 10 Jahren war ich ausschließlich Insektentöter. Heute bin ich zum Insektenretter mutiert."
"Meine Produkte töten Insekten, weshalb es nur folgerichtig ist, dass ich mich als Hersteller darum kümmere, den Schaden zu beseitigen. Hier haben wir leider als Gesellschaft viel an Ethik verloren."
Fliegen retten in Deppendorf: Was ist der Wert einer Fliege? Von den Konzeptkünstlern Frank & Patrik Riklin im Jahre 2011 angestiftet, hat sich der Unternehmer für Insektenbekämpfung Dr. Hans-Dietrich Reckhaus dieser Frage gestellt. Ihre Antwort: Retten statt töten. Eine Rettungsaktion, die ein ganzes Dorf mobilisierte und eine Fliege mit dem weltweit ersten Flugticket für ein Insekt ins Wellness-Hotel führte. Eine vermeintlich absurd-kafkaeske Kunstaktion führt zu einem radikalen Unternehmenswandel – mit nachhaltiger Wirkung: INSECT RESPECT®.
"Ich warne aktiv vor dem Kauf meiner Produkte. Ich habe mir freiwillig auf JEDEM meiner Produkte einen Warnhinweis verordnet: 'Dieses Produkt tötet wertvolle Insekten' - vergleichbar den Warnhinweisen für Zigaretten."
"Ich glaube, es gab noch nie so viele Honigbienen, wie heute, weil Imkern so in ist. Aber immer noch trennen wir zwischen guten und schlechten Insekten - was ja nur eine vermenschlichte Interpretation ist. Ob ein Insekt aus unserer Sicht gut oder schlecht ist, hat in der Regel nur etwas mit dem Ort und der Zeit zu tun, an denen sie uns begegnen."
"Alle Insekten haben einen ökologischen Wert. Und ohne Insekten überleben wir Menschen nur wenige Monate lang. Da haben wir leider als Gesellschaft noch sehr viel Nachholbedarf an Wissen und an Sensibilisierung."
"Ich werde ganz oft auf Mücken angesprochen. Dazu möchte ich nur eine Tatsache sagen: Ohne diese Stechmücken, die uns nerven, hätten wir gar keine Süßwasserfische mehr, denn diese ernähren sich in der Regel bis zu 90 Prozent von den Mückenlarven."
Das INSECT RESPECT® Gütesiegel sorgt für Ausgleichsflächen: Ein Produkt tötet Insekten, die anschliessend im Ökosystem fehlen. Für diesen Verlust wird ein Ausgleich geschaffen. Der Ausgleich erfolgt mit der Errichtung von insektenfreundlichen extensiven Flachdachbegrünungen im Siedlungs- oder Industrieraum. Dabei werden neue begrünte Flachdächer geschaffen oder bestehende aufgewertet.
"In dem Moment, wo wir etwas aus dem Kreislauf herausnehmen, gibt es Kollateralschäden."
"Wir in Westeuropa haben in den letzten 30 Jahren circa 50 Prozent der Biomasse an Insekten verloren."
"Ich habe nie ein schlechtes Gewissen gehabt, weil ich davon überzeugt war, dass wir eine ordentliche Qualität machen und teilweise auch insektizidfreie Produkte angeboten haben. Nur die beiden Künstler haben mir den Spiegel vorgehalten."
"Für mich war es damals ein Schock, der tief gesessen hat. Ich habe es nur den beiden Konzeptkünstler Frank und Patrik Riklin zu verdanken, dass ich mein Geschäftsmodell in Frage gestellt habe."
Dr. Hans-Dietrich Reckhaus - "Der Herr der Fliegen (und Ameisen, Motten, Bienen, Grashüpfer etc.)"
"Erfolgreiche Unternehmer heute sind solche, die weniger visionär, als vielmehr pragmatisch an morgen denken. Mit ihren Angeboten sind sie vor allem kompromissorientiert. Es geht ihnen darum, dass der bestehende Markt ihre Angebote kauft."
"Künstler sind für mich dann gute Künstler, wenn sie konsequent sind, sich ausschließlich für ihre Inhalte einsetzen und - im Gegensatz zum Unternehmer - nicht käuflich sind."
"Die beiden Künstler hatten von Anfang an den richtigen Blick auf mein Geschäftsmodell. Sie haben gesehen, dass das nicht gut ist, was ich mache. Das sehen ganz wenige, denn die meisten sehen ein erfolgreiches Unternehmen. Und sie hatten den Mut, mir das ins Gesicht zu sagen."
"Ich hatte als erfolgreicher Unternehmer nur Bejahung und Schulterklopfen in meinem Umfeld."
Warum jede Fliege zählt von Dr. Hans-Dietrich Reckhaus: Das Buch beleuchtet das ambivalente Verhältnis zwischen Menschen und Insekten: Empfinden wir die Tiere eher als nützlich oder schädlich? Welchen Platz nehmen sie in der Welt und für die Vielfalt der Arten und Ökosysteme (Biodiversität) ein? Wie wirken sich Klimawandel und Bevölkerungsentwicklung aus: Wird die Zahl der Insekten zunehmen oder abnehmen?
"Mit den Künstlern habe ich über 9 Monate lang an 15 Nachmittagen über viele Stunden diskutiert. Die Künstler haben mit mir so lange gearbeitet, bis es sich für uns alle drei gut anfühlte. Das ist ein qualvoller Prozess gewesen, wo unendlich viele Stunden reingegangen sind - ich aber sage: Jede Stunde hat sich gelohnt. Jede."
"Ich wurde von Frank und Patrik Riklin schon vor Jahren zum ersten Artonomisten gekührt, weil ich aufgrund der Kunst als Unternehmer einen vollständigen Kurswechsel hingelegt habe."
"Die Legitimation eines Unternehmens darf nicht die Verführung der Kunden sein, sondern es muss der Sinn sein. Nicht der Kunde ist König, sondern der Inhalt. Wir Unternehmer müssen für unsere Legitimation kämpfen, in dem Sinne, dass wir ein sinnvolles Angebot schaffen - und mit dem sinnvollen Angebot dürfen wir dann Geld verdienen."
"Das Megafon ist ein ganz starkes Symbol, weil wir ja gar nicht mehr zuhören. Wir sind alle so in einem Hamsterrad gelandet, dass wir gar nicht mehr wissen, was um uns herum passiert."
Ein Pordukt aus dem Dr. Reckhaus Sortiment: Dr. Reckhaus Fruchtfliegen-Retter
"Wir müssen laut sein. Wir müssen konfrontieren."
"Wir müssen dringend unser anstrebsames (Vor)Bild von Unternehmertum ändern."
"Die Verantwortung trägt nicht der Konsument, sondern der Unternehmer. Und auch der Handel, der den Konsumenten jeden Tag sagt: 'Du kannst alles für billiges Geld kaufen, aber kauf, kauf, kauf!'."
"Das wirkliche Aufklären (über sinnvolle Produkte) und dieses aktivistische Unterwegssein, das ist für mich neues Unternehmertum."
"Ich verliere jedes Jahr an Umsatz und vor allem an Rendite. Aber heute bin ich stolz auf meine Produkte und habe viel mehr Spaß am Leben."
"Ich nutze heute mein Unternehmen, um gesellschaftlich etwas zu bewirken - um wirklich etwas zu verändern."
"Wenn ich an Transformation denke, dann denke ich an die schöpferische Zerstörung des Bestehenden und die Entwicklung eines völlig neuen Gedankengutes. Das kann man nicht alleine machen."
"Wenn mir Umsatz, Geld und Status so wichtig sind, dann ist das ok - aber dann ist Transformation nichts für mich."
"Nur da, wofür man wirklich einstehen kann, wird man Erfolg haben - und mit Erfolg meine ich eine eigene Zielerreichung. Ich mache weniger Umsatz und verdiene weniger Geld, aber ich bezeichne mich als erfolgreich, weil ich die Ziele, die ich mir selbst gesteckt habe, erreiche."
Der Trailer zu INSECT RESPECT® mit Barac Obama in seiner unrühmlichsten Rolle
Mein Dank gilt Dr. Hans-Dietrich Reckhaus für das Vergnügen, seinen Transformationsweg über die letzten zehn Jahre beim Lesen nachzeichnen zu dürfen und für ein verändertes Bewusstsein im Umgang mit unseren sechsbeinigen Begleitern. Und lieben Dank auch an Alexander Karl vom Murmann Verlag für diese wertvolle Verbindung!