Wir machen eine Auszeit. Aber was bedeutet das eigentlich genau? Was mache ich da? Und was will ich da machen?
Monat 1 ist rum. Gestern Abend hatte ich ein etwas unzufriedenes Gefühl in mir. Ich spüre noch keine innere Ruhe und Gelassenheit, wie beispielsweise nach den 3-4 Wochen auf dem Containerschiff. Die Zeit fliegt mit den Stationen irgendwie noch an mir vorbei - ohne, dass ich schon wirklich in unserer Auszeit angekommen bin.
Petra hatte gefragt, wie wir weitermachen wollen - und ich hatte keine Vorstellung oder Meinung dazu. Fahren wir noch mal hoch an die Ostsee? Oder an den nächsten See? Bleiben wir noch und schauen uns Tallinn an? Fahren wir durch bis Lettland zur Mühle? Oder ganz anders und mit der Fähre nach Helsinki?
Alles ist vorstellbar und möglich. Und gleichzeitig nicht zu entscheiden, wenn alles egal und gleichwertig ist. Fast tendiere ich einfach zu einem weiteren Fahrtag, denn dann “habe ich etwas zu tun”, von dem ich eine klare Vorstellung habe. Aber fahren um des Fahrens willen? Klingt fast wie weglaufen ... aber vor was denn?
Robert und Barbara unterscheiden die Menschen, die sie auf der Reise treffen, in zwei Kategorien: “hin zu - Menschen” und “weg von - Menschen. Die einen suchen etwas. Die anderen flüchten vor etwas. Dabei führt beides nicht zum Ziel, denn es liegt in uns.
Ich merke, dass sich langsam etwas verändert in meiner Wahrnehmung unserer Reise. Das “Urlaubsgefühl” flaut ab - dieses Gefühl, rumzureisen und vor Ort die Gegend erkunden zu wollen, Ausflüge zu machen und natürlich auch einfach die Seele baumeln zu lassen. Eigentlich hatte ich genug davon. Ob jetzt ein See mehr oder weniger dazukommt - und in welchem Land ... mir grad egal.
Ich habe begonnen, die Frage “was will ich eigentlich, wirklich?” für mich zu stellen. Sicher ist es nicht dieser Urlaubsgefühlmodus auf 12 Monate ausgedehnt.
Die Auszeit mit Familie ist neu und unbekannt. Sie ist kein Dauerurlaub. Sie ist nicht wie die Zeit auf dem Containerschiff, in der ich ganz mit mir alleine war und meine Zeit strukturiert habe. Sie ist nicht wie Pärchenurlaub zu zweit, in der ich mit Petra durch fremde Städte streunern kann und wir auch jeder unsere eigenen Nischen nutzen können. Es ist nicht Lernzeit, in der es darum geht, den Kindern etwas beizubringen. Es ist auch nicht Alltag, in dem jeder arbeitet und die diversen Aktivitäten der Kinder und unsere sozialen Begegnungen mit Freunden und Bekannten den Rhythmus bestimmen. Und sie ist kein Sabbatical, in dem man sich “ein Projekt” vornimmt und in einer bestimmten Zeit auf ein klar definiertes Projektziel zusteuern - wie z.B. die Restaurierung eines alten Segelbootes.
Und auch wenn alle diese Dinge in der Auszeit vorkommen, so treffen sie doch nicht den eigentlichen Charakter. Sie ist nicht einfach nur der Mix aus allem. Ich ahne, dass eine Langzeitauszeit mit Familie eine ganz eigene Definition und ein eigenes Verständnis braucht, welches ich noch nicht beschreiben kann. Noch nicht.
Die aufkommende Unzufriedenheit hat möglicherweise etwas mit der fehlenden Klarheit darüber zu tun, was diese Langzeitauszeit denn für mich sein soll - ohne einfach meinen inneren Erwartungen und Bildern aus der Zeit der Planung vor Reisestart hinterherzuhecheln.
Es wird sich zeigen und entwickeln, denn nun gibt es einer Spur zu folgen, die vermutlich einfach ins Sein und damit ins Leben im Moment führt. Der Weg ist das Ziel ...